Wir sind angekommen und gespannt wie es weitergeht.
Krupa in Bosnien gehört nicht zur EU, ist aber näher als man denkt – 650km von München aus bis zu uns… wer hätte das gedacht.
Leider fehlt bei vielen Menschen in Deutschland das „mind-set“ – also die geografischen Landkarte im europäischen Gedächtnis.
Wo ist Bosnien überhaupt ?
Tja. Uns ging es damals genauso…
Es fehlen romantische und abenteuerliche Filmbilder und Geschichten dazu, die über die Flimmerkiste laufen und als Urlaubsziel etwas anderes als Schweden, Frankreich, Italien und Kroatien programmieren.
Was bei Bosnien leider hängen geblieben ist, hat wohl sein Erbe im Jugoslawienkrieg vor fast 3 Jahrzehnten.
Das Land besitzt nur eine geringe Anzahl an Einwohnern, ist politisch neutral, es gibt jede Menge Natur und noch relativ wenig Industrie/Kommerz und Fachleute, dafür aber viele „Meister und Experten“, mit denen man bitte vorsichtig umgehen sollte !
Warum ist das für uns genau das Richtige ?
Ganz einfach – viel Freiheit, viel Natur – wenig Normierung, wenig Kontrolle – was oft kreative Lösungen erfordert.
Pro – Anders als in Deutschland gibt es hier keine Sintflut an Verwaltungsakten, Konsumprodukten und kommerziellen Anbietern.
Eigenverantwortung und Selbstversorgung nehmen als Überlebensstrategie einen neuen Stellenwert ein.
Bei den Behörden sitzt der freundliche Pförtner noch mit Zigarette im Mund und beim Tanken regelt der Tankwart das Übliche.
Das Finanzamt ist quasi ein Gang mit Ordnern – bis zur Decke gestapelt.
Es wird so gut wie überall geraucht. Außer bei der Tankstelle, Kindergarten und den Moscheen (vermutlich). Ich bin kein Raucher – empfinde es dennoch als angenehm – keine staatliche Bevormundung bis ins Schlafzimmer hat auch seine Vorteile.
Contra – wer (wie wir) hier ohne viel Geld siedelt, sollte handwerklich breit aufgestellt sein, nicht zu sehr an deutschen Standards hängen, sich Zeit nehmen und
die Natur genießen können.
„Sich Zeit nehmen“ – auch eine Aufgabe für mich.
„Mal eben schnell etwas erledigen“ – nix da…
Die Ortschaften sind dünn besiedelt, die nächst größere Stadt oft 30 km und mehr entfernt.
Autobahnen gibt es kaum, dafür viele Landstrassen – für 200km Entfernung kann man 3,5 h Stunden einplanen.
Wer auf einer der vielen Waldstrassen landet vertrödelt 2h für 20km, es sei denn man besitzt Allrad mit Bodenfreiheit und es kommt einem kein voll beladener Holzlaster entgegen.
Audi und BMW sind in den ländlichen Regionen keine gute Wahl. Dennoch sind die allermeisten Straßen gut und sicher auch für normale Autos geeignet.
Hier fährt man am liebsten Golf II, T3 und ähnliches. Was wohl auch an den komplizierten Einfuhrbedingungen liegt. Autos die älter als 10 Jahre sind dürfen nicht importiert werden. Daher klafft eine Lücke zwischen Oldies und Neuwagen.
Das was noch irgendwie rollt, wird daher „irgendwie“ erhalten – nicht jeder hat das Geld für moderne Autos.
Wir haben noch keine Lösung gefunden für unseren Pick Up außer einem umständlichen und kostspieligen Weg einer Umzugsfirma.
Der Aufwand für ein befristetes 1 Jahres-Visum ist hart.
Stempel hier, Stempel dort, Beglaubigungen, Kopien, beglaubigte Kopien, übersetzte Kopien, … usw… es nimmt kein Ende, es ist wenig digital – aber man lernt dabei Land und Leute kennen, gefühlt fast jeder Zweite spricht deutsch und man bekommt ein Gefühl für die bosnische Lebensart.
Anders als bei anderen Dingen ist der Prozess des Visums ernst zu nehmen, sonst wird man aus dem Land rausgeworfen und für 5 Jahre gesperrt.
Was nicht heißt, dass man das auch umsetzt.
Bosnien hat viele Gesichter.
Die Lebenskosten sind gering, der Wochenmarkt liefert preiswert regionale Produkte (Supermärkte gibt es aber auch), geheizt wird mit Holz, Strom ist billig, Benzin und Diesel liegen unter dem deutschen Niveau und generell sind die Steuern momentan niedrig.
Die Stromrechnung kommt per Post und wird auf dem Postamt bar entrichtet. Man reiht sich ein in die Schlange von Einheimischen und genießt die Mundart und die verschiedenen Typen.
Von komplett umhüllten Muslimen bis Biertischbauchnabel mit Ballermann T-Shirt ist alles zu sehen.
Kirche und Moschee stehen direkt nebeneinander. Ohne Streit.
Autos werden jährlich geprüft und preiswert versichert.
So etwas wie eine monatliche Grundsteuer auf Wohneigentum gibt es keine. Was man hat, hat man ohne dafür ständig bezahlen zu müssen.
Die Währung ist BAM bzw. KM (konvertive Mark – das bosnische Pendant zur damaligen DM) und an den Euro gekoppelt. Der Umtauschkurs ist 1 : 96 und entspricht damit dem Umtauschkurs von DM zu Euro nach der Währungsreform.
Generell erinnert hier einiges an die Zeit nach der Wende.
Es gibt hier kein Arbeitslosen- oder Kindergeld (wenn dann nur sehr wenig) und kaum eine nennenswerte Rente.
Die Familien kümmern sich selbst um Ihre Alten.
„Arm“ ist hier niemand in dem Sinne – geht man davon aus, das so gut wie jeder hier Haus und Hof besitzt oder mindestens ein Stück Land. Viele sogar mehrere und verteilt auf verschiedene Länder. Wer allerdings den schnellen kommerziellen Erfolg sucht, wird es auf dem inländischen Markt sehr schwer haben.
Viele Bosniaken arbeiten in Deutschland, Österreich, Schweiz und Slowenien- historisch bedingt durch die Fluchtbewegung im Krieg der 90iger, der wirtschaftlichen und kontinentalen Zerstückelung des Landes.
Sprachlich besteht bosnisch aus einem Mix aus kroatisch, serbisch und eigenen Kreationen. Im Grunde sprechen alle diese Länder die selbe Sprache.
Nur erfindet jeder noch seine Eigenheiten dazu.
Ähnlich wie deutsch, schweizer deutsch und österreichisch.
Keine leichte Aufgabe, aber mit Fleiß machbar. Kyrillische Buchstaben findet man in serbisch dominierten Gebieten.
Ansonsten ein titelgedecktes System mit Registern, Bürokratie und Verwaltungsapparat, genauso wie in allen Länder der Welt – nur analog und bescheidener in seinen Einnahmen. Kleinbeträge werden aber immer gern genommen, sei es bei den Amtskassen oder Stempelstuben – es gibt immer überall eine nervige – wenn auch niedrige – Bearbeitungsgebühr.
Das Thema Holz ist schwierig.
Es gibt illegalen Raubbau und eine strenge legale Regulierung. Beides zugleich.
Die Buchenwälder werden hauptsächlich für das Ausland abgeholzt (Beispiel Tischlerplatten aus Buche) – ob und wie das reguliert wird leuchtet mir noch nicht ein. Vermutlich sollte man früher oder später eine Obergrenze festlegen, damit es nicht einmal so karg und öde ausschaut wie im restlichen Küstengebieten des Mittelmeerraumes. Verschwindet der Wald , verschwindet auch der fruchtbare Boden, der das steinige Land überzieht. An Wasser mangelt es nicht und das Klima ist generell sehr angenehm und gesund.
Wasserkraft und Kohle sind Energielieferanten.
Bauholz findet man tatsächlich schwieriger, da Wald hier auch „Wald“ bedeutet und man sehr selten genormte Plantagen mit Nadelhölzern vorfindet (wie beispielsweise in deutschen ländlichen Gebieten).
Bauholz ist hier eher Mangelware und im Verhältnis zu den übrigen Lebenskosten auch recht teuer.
Was die Natur angeht, so habe ich noch keine vielfältigere Landschaft erlebt. Soviel Kraft und Substanz findet man selten.
Das ist nur schwer fassbar – das muss man erleben.
Vom Feuersalamander über alle möglichen und unmöglichen Insekten bis hin zu Wölfen und Bären. Alle leben hier.
Strassenhunde auch, aber es gibt keine Probleme mit denen.
Bosnien hat viel zu bieten, wenn man sich darauf einlassen möchte.
Im Herbst 2022 werden meine Wohnkabinen aus Holz sich diesem Land und seinen Einflüssen mit meinen Ideen stellen.
Auf geht’s!
Herzlichst Euer Matthias
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